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Neues Gesetz zur Inklusion

Neues Gesetz zur Inklusion

Gleichzeitig besteht die Sorge der Umsetzbarkeit, denn die hängt an der Finanzierung.

Mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verspricht der Entwurf des neuen Landesgesetzes für Menschen mit Behinderung, den die Landesregierung heute verabschiedet hat. Das ist sehr positiv. Von der „Integration“ geht es nun – zumindest auf dem Papier – hin zur „Inklusion“. In der Praxis dürfte dies jedoch ein langer Weg sein.

„Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass nun ein zeitgemäßes Gesetz entstanden ist, das den neuen Entwicklungen Rechnung trägt und sich an europäische Standards anlehnt“, sagt Martin Telser, Präsident des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit: „Sehr positiv am Gesetz ist, dass die UN-Konvention für Menschen mit Behinderung eingebunden wurde, die ganz klar von Rechten für Menschen mit Behinderung spricht. Es besteht aber die Sorge, dass mit dem Gesetz zu hoch gesteckte Erwartungen und Hoffnungen geweckt werden, deren Umsetzung letztlich schwierig sein wird.“

Der Knackpunkt: Die Betroffenen pochen auf einklagbare Rechte und fürchten, dass in der Praxis nur das umgesetzt wird, wofür fallweise die Mittel zur Verfügung stehen. „Es wird wohl ein ständiges Kämpfen sein. Das Gesetz an sich ist ja nur eine Art Grundgerüst, in seiner bereichsübergreifenden Art sicher ein kleiner Meilenstein und zukunftsweisend. Entscheidend wird aber nun, die zur Umsetzung nötigen Durchführungsbestimmungen zu erarbeiten. Das wird keine leichte Aufgabe und wir hoffen, dass dabei alle Interessensgruppen angehört werden“, so Telser. Dem schließt sich auch der langjährige Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Josef Stockner an: „Bei der Ausarbeitung des Gesetzes ist dies bereits in beispielhafter Weise passiert“, lobt er, „wichtig ist, dass nun bei Kommissionen wie z.B. beim Monitoringausschuss Vertreter der unterschiedlichen Beeinträchtigungsformen mitarbeiten. Die für blinde und sehbehinderte Menschen wichtigsten Bereiche, die im Gesetz geregelt werden, sind die Schulbildung. Es ist wichtig dass diese auch in Sondereinrichtungen im Ausland ermöglicht wird, ebenso die Umschulung und die Arbeitseingliederung.“

Überhaupt nennen viele Behindertenorganisationen die im Gesetz vorgesehene Förderung der Arbeitsintegration als ganz wesentlichen Punkt, wenngleich auch Zweifel da sind. Kritisch ist etwa Hansjörg Elsler, Präsident des AEB – Arbeitskreis Eltern Behinderter: „Hier gäbe es noch viel mehr zu tun, jedenfalls ist es für uns so zu wenig. Das neue Landesgesetz ist sicher eine tolle Sache, aber was im Text steht ist ohne klare Finanzierung nicht umsetzbar. Und das ist gerade in heutigen Zeiten mit knapper Budgetlage schwierig. Völlig unzureichend ist zudem der Bereich der sanitären Leistungen und Zusatztherapien. Hier wird einfach die bestehende Situation fortgeschrieben und zementiert.“

Gut sei, dass das neue Gesetz der Barrierefreiheit im weitesten Sinne Rechnung trägt, also auch für kognitiv Behinderte einige Verbesserungen bringen wird, findet die Lebenshilfe Südtirol. „Wir sehen in der Praxis, dass es viele Jugendliche gibt, die sich schwer tun, den Übergang von der Schule zur Arbeit zu schaffen. Wir hoffen, dass dies künftig besser gelingt, so wie insgesamt bei der Arbeitsintegration“, sagt Wolfgang Obwexer. Als weiteren wichtigen Punkt nennt der Direktor der Lebenshilfe den Bereich Wohnen: „Wir erwarten uns hier bei den Angeboten der Sozialdienste ein Umdenken, denn im Gesetz ist ausdrücklich die Rede von Personenzentrierung und mehr Autonomie und Privatsphäre für die Menschen mit Behinderung in Wohneinrichtungen, was vor allem eine Abwendung von großen Heimen hin zu viel mehr Wohngemeinschaften ist.“

„Mehr oder weniger sind wir mit dem Gesetz zufrieden“, kommentiert Margot Gojer, Geschäftsführerin vom Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker: „Rein theoretisch müsste die gesetzliche Grundlage für Wohnen und Arbeit wohl da sein. Offiziell sind psychisch erkrankte Menschen den anderen gleichgestellt, zumindest auf dem Papier, in der Praxis leider nicht – auch weil sie immer noch stigmatisiert werden. Es fehlt aber die Anpassung der Einstufungsmodalitäten an die Bedürfnisse der psychisch erkrankten Menschen etwa bei der Pflegesicherung, bei der Einstufung zum Erhalt der Zivilinvalidität usw. und es fehlt die Richtlinie, dass insgesamt 5% der Ausgaben des nationalen Gesundheitsdienstes für psychisch erkrankte Menschen verwendet werden soll.

Der Dachverband und seine Mitgliedsorganisationen haben in der Entstehungsphase des Gesetzentwurfs aktiv mitgewirkt. Der Übergang in die politische Diskussion wird nun mit Spannung verfolgt.